(von Imke Leiß)
Vor über elf Jahren ergab sich die Situation, dass eine Person mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) eine Wohn- und Betreuungseinrichtung in Bremen suchte und nicht fand. Der Aufgabe verpflichtet war es dann der Initiative von Frau Sturhann und dem pädagogischen Team von Haus Hemelingen zu verdanken, dass für die Person eine bezahlbare Wohnung in unmittelbarer Nähe der Wohneinrichtung gefunden wurde. Das Team des Hauses Hemelingen übernahm zunächst zusätzlich zu der Betreuung der sieben Bewohner*innen innerhalb der besonderen Wohnform in der Bremer Brunostraße sehr pragmatisch auch die Obsorge und Begleitung dieser einzelnen Person.
Kurz darauf bezog eine Bewohnerin des Hauses Hemelingen ebenfalls eine kleine Einzelwohnung in der Straße, die dem ersten Beispiel folgend auch gerne in ihren eigenen Räumlichkeiten weiterhin, von den ihr jahrelang vertrauten Menschen, begleitet und unterstützt werden wollte.
Das neu konzipierte Begleitungs- und Unterstützungsangebot ist ein konsequentes Ergebnis der gesamten bedarfsorientierten Entwicklung und Geschichte des Vereins und der für die Wohn- und Betreuungsangebote zuständigen gemeinnützigen GmbH. Die stetig wachsende Ambulante Autismushilfe stellt heutzutage einen eigenen Geschäftsbereich innerhalb der Autismushilfen gGmbH dar. Mittlerweile betreut die Ambulante Autismushilfe mit einem Team von derzeit acht erfahrenen und qualifizierten Fachkräften zwanzig erwachsene Personen mit einer Primärdiagnose im Autismusspektrum im Bremer Stadtgebiet. Dieses Leistungsangebot wird im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 90 SGB IX in Verbindung mit § 113 Abs. 1 und 2 Nr. 2 SGB IX in Verbindung mit § 78 Abs. 1 und 2 SGB IX erbracht – aber das ist lediglich die sozialrechtliche Grundlage und sagt nicht viel über die eigentlichen Aufgaben, Tätigkeiten und Angebote der Ambulanten Autismushilfe aus, die wir hier kurz darstellen möchten:
In der gewählten Bezeichnung ist bereits eine erste Orientierung zu dem allgemeinen Setting enthalten: Ambulant bedeutet, dass in dieser Begleitungsform kein Wohnraum gestellt wird, sondern die Klient*innen eigenständig außerhalb der Familie alleine oder auch als Wohngemeinschaft leben. Neben der Volljährigkeit ist weiterhin eine gestellte Primärdiagnose im Autismusspektrum erforderlich, um Zugang zu dieser Begleitungsform zu erhalten. Bezüglich des letzten Bestandteils der Bezeichnung Hilfe, haben wir lange über die Begrifflichkeit diskutiert – denn der reine Begriff legt nahe, dass die Klient*innen „hilfsbedürftig“ wären – und derart verstehen weder wir, noch die von uns begleiteten Personen, die Aufgabe.
Im gemeinsamen Gespräch und Kontakt miteinander geht es vielmehr darum zu ermitteln, in welchen Lebensbereichen die antragstellende Person (der/die Klient*in) Beratung, Begleitung, tatkräftige Unterstützung usw. wünscht und erhalten möchte – formal nennt sich das personenzentriert zugunsten der leistungsberechtigten Person – und genau darauf bezieht sich dann auch die Arbeit des Teams der Ambulanten Autismushilfe. Für Menschen im Autismusspektrum kann es dabei sehr hilfreich sein, von einem „neurotypischen Dolmetscher“ Begleitung und Unterstützung zu bekommen, um das im Alltag selbständige Leben auch beispielsweise im Rahmen der eigenen Haushaltsführung (z. B. Erstellen eines Einkaufszettels, begleiteter Einkauf, Unterstützung bei der Haushaltsreinigung, gemeinsame Bewältigung der Wäschepflege) oder aber im Außenkontakt mit der Umwelt (Behörden- und Arztangelegenheiten, Ausbildungs- oder Studienbegleitung, Freizeitgestaltung und –aktivitäten) besser bewältigen zu können. Dabei wird jede*r Klient*in von grundsätzlich zwei Teammitgliedern unterstützt, so dass auch im Urlaubs- oder Krankheitsfall eines Teammitglieds es für die Klient*innen bestmöglich gewährleistet ist, dass die andere bekannte Unterstützungsperson zur Verfügung steht. Die Klient*innen verabreden sich, mit der sie begleitenden Person, zu den jeweils ermittelten Themen und dem damit einhergehenden wöchentlichen Bedarf an Stunden (der ab einer Stunde wöchentlich beginnt und bis zu 22 Stunden wöchentlich durch den Leistungsträger bewilligt werden kann) individuell – meistens zu wöchentlich verlässlichen und wiederkehrenden Zeiten, aber ebenso können Tage und Uhrzeiten auch in Absprache verändert und verschoben werden. Je nach eigenem Befinden und anstehender Thematik können die Klient*innen ebenfalls festlegen, ob die Verabredung in der eigenen Häuslichkeit/ Wohnung stattfinden soll, oder ob man sich zu einem Treffen beispielsweise vor dem Supermarkt oder vor der Wohnungstür verabredet.
Diese Unterstützungsform wird vom Leistungsträger (das ist in der Regel der zuständige Sozialhilfeträger, wenn man selbst nicht über eigenes Vermögen verfügt) meistens für eine Dauer von 12 Monaten bewilligt. Wenn sich innerhalb dieses Zeitraumes zeigt, dass der ursprüngliche wöchentliche Stundenumfang der Begleitung entweder zu hoch oder zu niedrig ist, kann man auch eine Anpassung und Veränderung beantragen. Ebenso ist es möglich und überwiegend so, dass die Klient*innen die Ambulante Autismushilfe auch über inzwischen viele Jahre in Anspruch nehmen und sich durch diese Form der Unterstützung und Begleitung in ihrem Alltag entlastet fühlen.