Fehlende Schulassistenzen

Autismus Bremen e.V. nimmt mit wachsender Sorge das Problem fehlender Schulbegleiter bzw. Assistenzkräfte an Bremer Schulen wahr. Aus dem chronischen Engpass ist mittlerweile ein Notstand geworden! Das zeigen nicht nur die Rückmeldungen seit Beginn dieses Schuljahres. Auch Radio Bremen kommt zu dem Ergebnis: In Bremen fehlen mindestens 160 Assistenzen für förderbedürftige Schüler*innen, darunter auch Autisten bzw. vor allem Asperger-Autisten. Die Ressorts Bildung und Soziales können die Stellen derzeit nicht besetzen, berichtet butenunbinnen:

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/inklusion-foerderbedarf-fehlende-assistenz-100.html

Da einige dieser Stellen für eine Mehrfachbetreuung vorgesehen sind, dürfte die Zahl der betroffenen Schüler*innen um einiges höher liegen als 160. Die Dimension des Problems wie auch seine Folgen sind fatal. In jedem einzelnen Fall stellt sich die Frage der „angemessenen“ Beschulung. Solche Bedingungen an Bremer Schulen sind – um es klar zu sagen – dem allseits anerkannten Ziel der Inklusion unwürdig.

Das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern und Schülerinnen ist im Bremischen Schulgesetz festgeschrieben. Inklusive Beschulung erfordert aber eine entsprechende Struktur. Sie ist ohne den ausreichenden Einsatz von Assistenzkräften nicht vorstellbar. Wenn jetzt immer mehr Familien an dieser entscheidenden Stelle alleingelassen werden, dann wirft das Fragen auf.

Haben die Behörden in der Vergangenheit Vorkehrungen getroffen, um den Engpass zu verhindern? Reagieren sie jetzt angemessen und angemessen kraftvoll, nachdem aus dem Engpass ein Notstand geworden ist? Bietet das bremische Schulsystem den betroffenen Schüler*innen alternative Förderungsmöglichkeiten? Und schließlich: Welche Vorkehrungen müssen – schon heute – getroffen werden, um morgen die Leistungen zur Teilhabe an Bildung sicherzustellen?

Wo die bisherige Ausschreibungspraxis sich als nicht tragfähig erweist, müssen die Stellen attraktiver gemacht werden. Autismus Bremen e.V. fordert deshalb die Landesregierung auf, Anreize auf dem Arbeitsmarkt zu verstärken. Alle bisherigen Konzepte müssen auf den Prüfstand, auch das Basiskonzept der persönlichen Assistenz. Wir fordern die Schulbehörde auf, sich für neue Überlegungen zu öffnen. Entsprechende Vorschläge hat auch der Martinsclub als beteiligter Träger in der Vergangenheit bereits vorgelegt. Assistenzen fehlen seit Jahren. Hier muss endlich Bewegung ins System! Eine Blockadehaltung in der Behörde ist spätestens in Krisenzeiten die falsche Strategie.

Ein zusätzliches Problem für Schüler*innen mit Autismus ist die neuerdings verschlechterte Entlohnung für einen Teil der Assistenzkräfte. Mit Beginn des neuen Schuljahres ist eine dreistellige Zahl von Asperger-Autisten aus der Zuständigkeit der Senatorin für Bildung zur Senatorin für Soziales übergeleitet worden. Assistenzkräfte, die der Gruppe der „nichtpädagogischen Kräfte“ angehören, werden seitdem erheblich schlechter vergütet als vorher.

Damit wird für viele dieser Kräfte die Betreuung von Schüler*innen mit anderen Förderbedarfen deutlich attraktiver. Die Asperger-Autisten stehen im Regen. Zumal andere Förderbedarfe oftmals mehr bewilligte Betreuungs- und damit mehr Arbeitsstunden bedeuten. So ist nachvollziehbar, dass viele Assistenzkräfte sich von den Autisten trennen und im neuen Schuljahr andere, „lukrativere“ Schüler*innen übernommen haben. Hier geht die Überleitung von einer senatorischen Behörde zur anderen zu Lasten einer Betreuungsgruppe – der Schüler*innen mit Autismus. Das kann nicht gewollt sein.

Wir fordern, dass diese Schlechterstellung aufgehoben wird. Wir fordern außerdem, die Zuständigkeiten zu vereinheitlichen. Im Mittelpunkt muss die größtmögliche Verlässlichkeit der Betreuung für die Schüler, aber auch für die Schulen stehen. Davon kann aber schon lange keine Rede mehr sein.

Die aktuelle Situation führt zu zusätzlichen Einschränkungen ausgerechnet für solche Familien, die auch schon überproportional Leidtragende der Corona-Folgen an den bremischen Schulen waren. Auch im Bildungssystem wurden in der Pandemie die Bruchstellen deutlich. Die vielfach belasteten Familien geraten jetzt weiter unter Druck, weil immer öfter die dringend benötigte Unterstützung durch Assistenzkräfte fehlt. Das Ergebnis ist Verzweiflung. So kann Inklusion nicht gelingen! Es braucht an dieser entscheidenden Stelle eine neue Spielaufstellung.

Autismus Bremen e.V. steht zum Weg der Inklusion! Und zu ihrem Ziel: Einer lebenswerteren, gerechteren und menschenwürdigeren Gesellschaft. Deswegen muss das chronische Problem der fehlenden Assistenzkräfte endlich gelöst werden. Sonst bleibt das Versprechen der bedarfsgerechten Teilhabe an Bildung für viele ein leeres Versprechen.

Christian Schwalb (Vorstandsmitglied) für Autismus Bremen e.V.

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